I. Scene.
(Rahab ruht auf ihrem Lager. Etwas rückwärts kauern die beiden
Sklavinnen. Nahalal spielt ein Saiteninstrument mit langem Griff. Esthemoa
eine Handpauke.)
RAHAB: Schon wird es Abend,
und ich hab den Schmuck mit mir noch nicht angelegt,
zum Tor der Stadt hinab zugehn.
Das Tor ist zu, kein Wandrer kommt ihm nah,
seit jene Wilden rings um Jericho liegen.
Was lauren diese Wilden in der Wüste
daß ich am Rand des steingefaßten Brunnens
in meinem Schmukke heut nicht sitzen mag,
eines schönen fremden Mannes harrend,
der von fern der langen Reise Ziel erreicht.
Was denkt man nicht, wenn man so ruht vergang'ner Tage...
in diese fremden Mauern hergebracht von fremden
Händlern aus der Stadt, an die des Meeres eines Ende schlägt!
Das andre aber ruht an einer Insel in weichen Bogen
hingeschmiegtem Strand,
wo ich als Kind iff einer mild'ren Sonne mit meinen Eltern wohnte.
Mag Dein Schiff, o mag Dein Schiff
zugrunde gehn nach dem es ohne
Mast un Segel hoffnungslos getrieben;
und mag im Küstensand
vermodern Dein Gebein.
(Hörner)
Verfluchter! Der die Heimat mir entriß!
Vergargne Tage...
Unvergeß'nes Los...
(Rahab sammelt sich aus ihrer Erregung)
Was habt ihr heute in der Stadt gehört?
NAHALAL: Herrin, zahlos sind sie,
wie die Heuschrecken hinter jeden Stein
sind ihrer Viele und mehr noch
in den Furchen des Bodens.
ESTHEMOA: Sie sind auf Dir eh Du es ahnst;
sie sind behend wie die Hirsche
RAHAB: Hat einer vom Stadtvolk sie gesehn?
Kann niemand sagen woher sie kommen?
NAHALAL: Keiner, O Herrin, kann es erzählen
wer ihnen nahet den erchlägt das Schwert.
ESTHEMOA: Man sagt diese Wilden hätten
in bleichen Angesichtern dunkle Augen
und se'in von hohen Wuchs und schönem Israel.
RAHAB: Es sind ihrer zwölf Stämme mit Namen
Bleiche Gesichter sagst Du?
Greift denn das Volk hier nicht zu den Waffen,
die Fremden zu verjagen?
NAHALAL: Herrin im Feld widersteht ihnen keiner,
die Könige Sihon und Og haben sie geschlagen!
ESTHEMOA: Wer soll uns jetzt noch schützen?
NAHALAL: Ihnen allein war unser Schutz vertragen.
ESTHEMOA: Der Wall ist wohl fest, s'ist schwer ihn zu
stürmen;
vielleicht ziehn sie fort, wenn derHunger sie triebt.
NAHALAL: Viele sagen, es sei alles verloren,
schon nahe das Ende von Jericho!
Sie eßen und trinken verpraßen ihre Güter,
sie klopfen des Nachts an Deine Tür!
RAHAB: Sie mögen die Finger sich blutig schlagen!
sind dies denn Männer, die hinter Mauern sich verbergen
wie feige Hyänen!
NAHALAL: Aus der Wüste naht unser Ende.
ESTHEMOA: Ein böser Wind trieb sie hierher,
der Hauch eines schlimmen Gottes!
NAHALAL: Man sollte mehr opfern und länger...
(Sie hält erschreckt inne)
II Scene.
HIRAM: Hör mich! Du... Weib...
Sie sind mir auf den Fersen...
sie haben meine Spur noch nicht verloren,
verbirg mich, wenn Du es willst und kannst...
(Hiram hat sich in den Hof hinab gelaßen und lehnt keuchend und
müde an der Mauer.)
...Wenn sie mich finden ist es aus mit mir!
(Rahab sieht ihn lange an.)
RAHAB: Wer bist Du?
Was hast Du getan?
Wer sucht dich?
Frag' nicht und schau mich nicht so lange an!
Verbirg mich, sag ich, tust Du es nicht
erschlag ich ihrer noch so viel ich kann,
eh sie mich selbst erschlagen.
RAHAB: Kommst Du von draußen?
HIRAM: Ja.
RAHAB: Und aus der Wüste?
HIRAM: Ja... frag nicht weiter... tu' oder laß es,
ich meine, Du tust es wenn mich Dein Aug nicht trügt.
RAHAB: Nein!
Ich will es nicht! Ganz rot bist Du vom Blute der Erschlag'nen.
HIRAM: Ein Stein, ein Schleuderschuß mein eignes Blut...
was übrig ist muß ich wohl hier vergießen!
(Ferner Lärm von der Straße her.)
RAHAB: Hörst Du sie kommen? (dicht vor ihm)
Hast Du nicht Angst?
HIRAM: Nicht mehr, das ist vorbei.
RAHAB: (mit plözlichem Entschluß)
Geh hier hinein und sei still!
Ganz still! Noch weiß ich nicht ob ich Dich schüzen kann;
(Sie hebt den Vorhang zum Schlafgemach, öffnet die Türe und
stößt Hiram hinein.)
Schnell, hier hinen, und rühr'Dich nicht.
(Rahab verschließt die Tür und läßt den Vorhang
fallen. Sie eilt zu den Sklavinnen zurück.)
Und ihr, wenn ihr ein Wort nur sprecht reiß'ich mit glühenden Zangen
Euch die Zunge aus dem Mund!
Zu trinken! Und jetzt singt!
III. Scene.
(Rahab wirft sich auf ihr Lager. Situation wie zu Anfang. Andauernder,
wachsender Lärm. Die Skavinnen singen ängstlich und spielen mit
zitternden Händen. Rahab treibt sie mit wütender Geberde an. Rahab
und die Skavinnen halten inne, verharren aber bis zum Auftritt der Bürger
in ihren Stellungen.)
CHOR: Er ist entkommen!
Sucht! Sucht!
Hier alles leer!
Hierher! Hierher! Niemand im Haus...
Viele der
Unsrigen liegen erschlagen,
ein Mann allein hat es getan,
er öffnet
die Tore seinem Volke
Wehe! Sucht ihn! Wehe, Jericho! Sein Blut muß
fließen.
(Sechs Bürger drängen durch das Tor rechts.)
IV. Scene.
BAR TAN (atemlos): Weiber! Saht ihr
keinen Fremden?
RAHAB (ruhig): Lange schon kommt kein Fremder
mehr nach Jericho.
BAR TAN: Ich meine von den Wilden einer
etwelche in der Stadt!
TINMATH: Von den Feinden in der
Wüste.
AHELAB & NIRJATH: Viele schon!
SISERA:
Viele schon! Wehe, Jericho! Weh meinen Frauen und meinem Wein!
TINMATH:
So weit ist's noch nicht, daß Du heulen müßtest wie
ein Hund.
SISERA: Du hast leicht reden! Gestern erst hab ich eine Skavin gekauft,
der Händler sagte sie sei aus Babylonien.
Ich sage Dir: Ein Mädchen!
Jung und zart und schön wie der Tag.
Sie kost und schertzt, kann singen und tanzen und...
CHOR
(Hinter der Scene, ganz nahe): Wo ist der Fremde, der unverraten
will?
Wehe, Wehe Jericho!
SISERA: Sie schlagen uns tot, sie spießen uns auf!
Wehe, Wehe, Sie nehmen sich unsre Weiber.
CHOR:
Sein Blut muß fließen!
BAR TAN (zu Rahab):
Warst Du immer hier mit Deinen Sklavinnen?
RAHAB(Anbefangen): Ja, wir waren steta hier.
AHELAB:
Habt nichtsge hört?
JABIN: Habt gar geschlafen?
RAHAB: Wohl warren wir wach und hörten...
NIRJATH, BAR TAN &
JABIN: Was?
RAHAB: Nichts.
TINMATH: Was gelten
Weiberreden! Kommt! laßt uns selbst suchen.
(Tinmath gefolgt von
Ahelab und Nirjath geht suchend in die Kammern links. Jabin und Sisera
bleiben im Hintergrunde.)
BAR TAN: Sprich, bist Du nicht Rahab?
RAHAB: Die bin ich.
BAR TAN: Ich heiß' Bar Tan; der Name wird Dir sagen,
daß ich reich bin.
RAHAB:
(Spöttisch) Lang' bist Du's nicht mehr:
(Er nähert sich Rahab)
BAR TAN: Man sagt daß Du jetzt jede Nacht Deine Tür versperrst.
RAHAB: Mein Tor bleibt zu.
BAR TAN: Willst Du es heut' nacht für mich auftun Rahab?
RAHAB: Dir nicht und keinem aus der Stadt!
Ich haß Euch alle!
BAR TAN
(Drohend): So birgst Du wohl am Ende unsern Feind!?
RAHAB: Das sagt ich nicht.
CHOR (Hinter der Scene, entfernt): Hier her, hierher! Herbei!
BAR TAN (nach hinten rufend): Habt ihr ihn?
(Ein durch dringender Schrei hinter der Scene)
EINE
MÄNNERSTIMME (Hinter den Scene): Nein!
RAHAB:
Göttin, laß dies vorübergehn!
NAHALAL: Herrin!
Herrin!
RAHAB: Schweig!
SISERA (zu Jabin):
S'ist alles umsonst! Wir sind verloren!
CHOR: Wehe Jericho!
Schon naht das Ende!
Weh uns allen!
JABIN: Dort alles leer?
TINMATH: Wir finden nichts.
RAHAB: Leute es ist niemand
hier. Ihr aber lärmt und tobt,
dringt in mein Haus wie die
Räuber.
AHELAB: Du hörst doch: ein Feind sclich hier in
die Stadt.
RAHAB: Wenn Euch nach Feinden so gelüstet,
dann sucht sie
draußen, dort findet Ihr genug.
TINMATH: Die Kammern sind wohl
leer...
RAHAB: So geht.
BAR TAN: Die eine aber dort, die
scheint versperrt.
(Rahab stürtzt zu der verschloßenen
Tür)
Höre Mensch, bist Du von Sinnen? Weißt Du auch
welche Tür das ist?
Sie führt zum Schlafgemache der Rahab;
die Fürsten gehen zitternd dahinein!
Du aber rüttelst am Griff
als war's die Tür zu Deiner Kälber
Stall?
(Stößt ihn zurück)
BAR TAN: Stall
oder nicht, ich will hier hinein!
JABIN: S'ist Rahab, die
Dirne.
SISERA: Ei was ! Rahab die Mächtige!
TINMATH:
Das Weib hat eine jähe Rede!
SISERA: Wie schön sie ist!
BAR TAN: Fort Weib! Gieb Raum!
RAHAB: Zurück!
(sie zieht ein Meßer)
Und weichst Du nicht so gehs Du, ich
schwör Dir's,
Lebend nicht von hier!
TINMATH: Laß
sie! Komm, das Weib ist von Sinnen!
JABIN: Sieht Du nicht, daß
sie ein Meßer hat?
AHELAB: Sie hat Anhang unter den
Mächtigen.
(Tinmath, Jabin, Ahelab & Nirjath führen und
drägen den sich sträubenden Bar Tan langsam durch das Tor, rechts.
Sisera folgt als Letzter.)
TINMATH & NIRJATH: Ja es
könnt' Dir übel ergehn.
SISERA: S'ist doch
alles umsonst, wir sind verloren;
Schon naht der Feind wehe
Jericho!
(Hier sind bereits alle dem Blicke
entschwunden)
JABIN: Wohl sind wir verloren; Schon naht der
Feind.
AHELAB & NIRJATH: Ja er naht.
(Rahab hört auf die
verhallenden Schritte und Rufe)
EINIGE MÄNNERSTIMMEN
(hinter der Scene): Wehe Jericho... Wehe...
(Rahab wirft sich
aufatmend auf ihr Lager)
RAHAB: Schließt auf! Führt
mir ihn her und geht.
(Der Sclavinnen offnen die Tür im Hintergrund
und gehen dann in die Kammern, links, ab. Hiram tritt aus seinem Versteck und
schreitet langsam zum Lager der Rahab.)
V. Scene
HIRAM:
Die mich geborgen hat höre:
Hiram bin ich vom Stamme Dan des
Volkes Israel.
Und Dank der unbekannten Frau.
RAHAB: Ist es Dein
Volk, das um die Stadt liegt?
HIRAM: Ja, es ist mein Volk.
RAHAB: Wo kommt Ihr her,
und welcher arge Gott trieb Euch in
dieses Land?
HIRAM: Gott treibt uns nicht; auch ist's kein
arger Gott
Aus fernen Landen hat er durch ein Meer uns
hergeführt
also daß die Wellen wie Mauern standed.
Dann hat
er vierzig lange Jahre in der Wüste sein Volk behalten
Dort bin ich
geboren.
Nun aber gab er seinem Volk Gewalt
über die Könige
der Amoriter Sihon und Og,
und all ihre Städte, denn es ist unser
Land.
RAHAB: Was tat wohl Israel durch vierzig Jahre in der
Wüste?
HIRAM: Es hatte Akker nicht noch Häuser
kannte
keine Städte mit festen Mauren;
Es zog das Volk so wie ihm Gott
gebot,
mit seines Bundes Lade.
RAHAB: Wart ihr so gehetzt,
daß ihr nur Einen
von Euren Göttern habt mit Euch führen
können?
HIRAM: Israel hatt'auch so lang an einem Ort es
saß nur einem Gott,
auch gibt es keine Götter neben ihm.
RAHAB: Ein Gott? ist dieser eine etwa gut für Kampf und
Friede,
Dürre un Gedeih'n? Gebietet, Einer über Haß
und
Liebe, der obern wie der untern Welt und allen Sternen?
HIRAM:
Der eine ist fürwahr genug
für Kampf und Friede Dürre
und Gedeihn
für Haß und Liebe er allein gebietet über Erde,
Luft und Meer, der obern wie der untern Welt,
der Sonne auch, und
allen Sternen.
RAHAB: Nun sag' warum kamst Du in die Stadt
geschlichen?
HIRAM: Mich sandt' auf Kundschaft Josua von Sittim
her;
Doch sahn sie mich zu früh' und jagten mich.
RAHAB:
Was Du nicht sahst das sag' ich Dir;
zwar weiß ich nicht
wie ihr den Wall ersteiget oder brecht,
doch ist's geschehn blebt
Euch nichts übrig denn das Volk ist feig und scheut den Kampf.
HIRAM: Wie find den Weg zum Lager ich zurück?
RAHAB:
Dort steht der Wall an einer Felsenwand,
Die jäh in einen
Abgrund sich verliert den keiner aufwärts,
keiner abwärts
klimmt;
deshalb sind keine Wachen hier bestellt,
und keines
Spähers Aug' soll sehn,
laß ich an langem Seile Dich
hinab.
Well erst die Nacht herein gebro[chen]...
HIRAM: Warum
erst bei Nacht? Warum nicht gleich?
RAHAB: Man könnt es sehen
Hiram.
HIRAM: Du sagtest doch der Wall sei unbewacht!
RAHAB:
Ich hab's gesagt.
HIRAM: Warum dann erst bei Nacht?
RAHAB: Grausamer! Was fragst Du?
HIRAM: Wißen will
ich, warum erst Nachts Du mich entlaßen willst!
(Rahab richtet sich
in die Kniee auf, sieht Hiram lange an und nimmt seine
Hände)
RAHAB: So höre Denk', Du lägest hier
so wie Du jetzt liegst;
und denke Dir es wäre Nacht, ganz dunkel,
und Du sähest bloß das Glänzen meiner Augen,
und
fültest Dich mir nah;
im Finstern sucht'ich nach Deiner
Hand
und näm'sie in meine und leises spräch ich zu Dir:
O Küngling. den vom Tode ich geretet
weil Deine Augen so hell wie
ein strahlendes Gestirn,
Küß' meinen Mund im Dunkeln. Du
Schöner,
und thu'mit mir nach Deines Herzens Lust.
(Rahab
zieht Hiram's Kopf an ihre Brust. Die Sclavin Nahalal tritt leise aus
einer Kammertüre, links, und steht hinter den Beiden.)
VI. Scene.
NAHALAL: Herrin! höre...
RAHAB: Was willst Du?
NAHALAL: (sie rührt Rahab ängstlich an der
Schulter) Herrin... es ist nicht gut,
daß Du den Fremden hier
verborgen hälst!
RAHAB: Du geh und schweige!
NAHALAL:
Herrin, es ist nicht gut, daß Du den Fremden hier den Bürgern
vorenthälst.
Es mag Gefahr sein für die ganze Stadt.
RAHAB:
(wütend aufspringend) Weib bist Du toll? Wer fragt Dich was
Du meinst?
NAHALAL: Herrin zu groß ist meine Angst, ich
muß reden.
RAHAB: Zurück! (Nahalal weicht zur
Kammertür zurück) Hündin, zurück!
NAHALAL:
Herrin höre: Willst Du ihn nicht preis geben, sag ichs den
Bürgern selbst
wen hier Du verborgen hältst! (schreiend vor
Angst)
RAHAB: So hast Du Angst, und plapperst in der
Angst?
(Rahab sticht Nahalal neider. Diese fällt mit einem Schrei
in das Innere der Kammer.)
Da! Das und das! (schrei)
Ich
zähm' die Zunge Dir!
VII. Scene
(Hiram ist bei dem Schrei aufgesprungen)
HIRAM: Was tust Du
Weib?
Warum erschlugst Du sie?
RAHAB: Wenn sich Dein Hund gen
sinen Herren wendet
un Zähne fletscht, erschlägst Du ihn dann
nicht?
HIRAM: Gib Antwort: Warum erschlugst Du sie?
RAHAB:
Wärst Du nicht blind so sagest Du Dir's selbst.
HIRAM:
Und bin ich blind so mach' mich sehend; rede:
RAHAB: Um
Dich zu retten hab' ich es getan,
weil ich nicht wollte, daß
sie Dich hier finden,
von mir Dich zerren und zuletzt erschlagen:
weil
ich Dich lieb' erschlug ich jenes Weib,
denn seit Du kamst da ward
ich mir bewußt,
daß ohne Dich mein Leben weggeworfen,
und
nur mit Dir es aller Wonden voll.
HIRAM: Du sagst Du liebst mich,
wie kann das sein?
In meinem Volke liebt das Weib den Mann,
dem der Vater sie übergeben hat.
Doch hab ich Dich noch nicht zur
Eh' begehrt,
noch Deinem Vater vertrag'ne Geschenke
übergeben.
RAHAB: (Lächlend) Ganz anders
ist's, ganz anders hier gemeint;
komm' her zu mir, hierher!
Und sie mich an, Du warst geborgen ehe Du noch sprachst
Du warst
verteidigt gegen tausend Feinde
Dir alles Eigen, denn Du warst geliebt!
Faßt Du dies Hiram?
Hat noch nichts Dein Herz mit Sehnsucht und
Verlangen angerührt?
Hat nie noch, da es vorüberging,
ein
Weib mit ihrem Blicke Deinen Blick gefangen?
Hat in der Blütezeit der
laue Wind
Dich traurig nie gemacht und froh zu gleich?
Hat nie in
heißer, dunkler Nacht ein Gott Dir einen dunklen Traum gesandt;
von
dunklen Augen und von dunklem Haar,
und Lippen, die auf Deinen Lippen
ruh'n.
HIRAM: Mein Herz klopft wie nach überschnellem
Lauf,
mein Kopf ist wirr und meine Stirn ist heiß
als
käm'ein Sandsturm.
RAHAB: Weiter, sprich nur weiter mein
Geliebter!
HIRAM: Nicht Zürnen noch Erwartung, kein Gedanke
trieb je mein
Blut mit solchen Wellen durch die Pulse mir... als...
Deines Aug's in mein's gefügter Blick...
RAHAB:
Sprich, Liebster sprich und sag mir was Du fühlst!
HIRAM:
Ist dies Zauberei? Ein Zauber dieser Leib?
Ein Wunder dies Gesicht? In
heißen Nächten hab ich sie gesehn.
Brennende Sterne, wie ich sie
sah, zum Himmel
schauend in sehnsücht'gen Nächten,
Duft Deines Haares, der noch um mich war,
wenn ich aus dunkelm Traumer
wachte.
RAHAB: Sag mir noch viel derlei, mein Liebster!
HIRAM: Dein Liebster, und vor einer Stunde
noch das ein'
dem andern fremd und unbekannt!
Wie kann das sein? Welche Kraft in meinem
Angesicht zog Dich zu mir?
Und heiß gefahr Dich bestehn für den
Fremden
und zwang Dich zu thun dieses blut'ge Werk?
Und welche
Kraft in Deinem Angesicht zieht mich zu Dir,
daß meines Volkes und
des Gesetzes hier vergeßen mag?
(Rahab fährt betroffen
auf)
RAHAB: Des Volkes und Gesetzes hier vergeßen...
(Sie sieht, die Hände auf Hirams Locken, über ihn weg
in's Leere)
Weil Du so fremd von all den andern bist, die hier
gekniet,
Und weil Dein Angesicht so anders meine Seele angerührt,
sollst Du auch anders von diesem Orte gehn.
War er absichtsvoll der
Gott, der Deine Flucht hierhergewandt?
Höre wohin, dann sei bereit zu
gehn.
(sie erhebt sich)
Dies Weib ist Rahab, lebt in Jericho
als eine Dirne in dem Haus am Wall,
des Abends steiget sie zum Tor hinab
des Mannes harrend,
dem sie ihres Schmukkes und ihrer
Schönheit
willen wohl gefällt.
(sie läßt sich, ohne Hiram
anzusehen, langsam auf den Teppich sinken)
HIRAM: Warum soll
ich schon gehn?
Sieh, es ist Tag noch, lange noch nicht
Nacht!
RAHAB: Graut Dir denn nicht von mir?
Hörst nicht
den Sinn aus meiner Rede?
HIRAM: Sinn und Wiedersinn dreh'n sich
im Kreise!
Halb versteh' ich, was Du beklagst; doch sieh:
mich
kümmert nicht was war,
daß Du mein Leben in den Händen
hast,
und daß mein Blut nach Deinem Blute schreit,
das ist und
darum laß mich bleiben!
RAHAB: Bist Du auf Kundschaft
ausgesandt,
daß Du nicht rückkehrst und nicht Kunde bringst,
weil bei einem Weibe Du bliebst zur Nacht?
HIRAM: Ich
acht' es nicht! und liebst Du mich, so laß mich bleiben!
Dann
mögen wenn die Stadt gefallen meine Brüder mit dem Schwerte
hier
mich erschlagen!
RAHAB: So blieb! und sei es Anfang gleich und
Ende!
HIRAM: Dein Ende? Rahab!
RAHAB: Wo Du bist, da
bin auch ich,
und wo Du fällst, dort will ich auch liegen.
HIRAM: Wie ein Weib, ein Eheweib, mit seinem Gatten soll.
Willst Du mein Weib sein Rahab?
RAHAB: Nein! nicht Dein Weib! Nur
für eine Nacht ein Weib.
Was bin ich, Liebster, daß ich mehr
Dir wäre?
Sieh meine Schönheit ist mit Schmach vermengt als wie
das Meer mit bittrem Salz.
Sonst aber hab' ich nichts!
Weisheit
und Kraft und Wißen ist dies Haar sind diese Augen,
dieser Mund! Ich
selbst nach einem dürstend, der nicht kam,
hab' andre
verschmachten sehn, und konnt' nicht helfen,
hätt'ich auch
gewollt.
Jetzt aber hämmert dies tote Herz, und ich bin weich,
bin wie ein Kind, denn Du bist da!
HIRAM: Nicht eine Nacht, ein
Leben halt' ich Dich!
Willst Du meinem Zelte bei mir wohnen in gut
und böser Zeit
und willst von hier Du weiter mit uns ziehn,
wenn's uns bestimmt?
RAHAB: Ich will in Deinem Zelte bei Dir
wohnen in guter wie in böser Zeit;
auch will ich wenn es Gott
bestimmt weiter von hinnen mit Euch ziehen,
immer bei Dir, liebend und
treu, bis der Tod uns trennt.
HIRAM: So höre mich Jehovah Herr
und Gott!
Der Du aus Feindeshand heim zu meinen Stämmen mich retten
willst
durch eines Weibes Hand, Wenn Deine Kraft
Jehovah diese Stadt
und alles Mauerwerk,
das rings um aufgetürmt zerworfen hat:
Dann spare des Weibes so wie Sie sich mein erbarmte, denn die mich schonte um
der Liebe Wilen, Rahab.
RAHAB: Wenn Du mich schonst um der Liebe
Wilen oh Gott! Dann soll mein Mund Di[e] preisen für Deine Gnade...
HIRAM: ...soll als mein Weib Deinen Name preisen und Deine Gnade...
HIRAM und RAHAB: Jehovah, Herr und Gott!
(Rahab führt
Hiram du Gemach auf das Dach und über die Stufen auf die Brüstung
des Walles. Die beiden Gestallen heben sich vom abendlichen Himmel ab.)
Vorhang. Ende der Oper.
This was transcribed from the piano-vocal score by John Mucci.
Any new material, editorial material, and the HTML coding is reserved
as being copyright 1996 John Mucci.
First entered 12/13/96, from a copy in the Music Division of the New York
Public Library.